Jägerschnitzel fürs Christkind

Nachricht 20. November 2024

Gesichter der Kirche

Weihnachten haben wir gefühlt nur gegessen. Weil wir von einer Feier in die nächste gehüpft sind. Jägerschnitzel Heiligabend bei Oma Gretel, Gulaschsuppe, so lange mein Opa noch gelebt hat. Polnischersalat mit Wiener Würstchen, oder Wild.

Weihnachtsspannung

Für mich das Schönste war: Die ganze Familie mit allen Onkeln und Tanten, Cousins und Cousinen kam zusammen. Es war ein Kommen und Gehen, wie im Bienenschwarm war das damals im Odenwald. Alle kamen zusammen, es lag Spannung in der Luft.

Ich war vielleicht acht, als ich wissen wollte, wie das Christkind aussieht. Nicht das in der Krippe. Ich wollte das Christkind sehen, das die Geschenke bringt. Wobei mir Geschenke gar nicht so wichtig waren, auch wenn ich mir sehnlichst einen Elektro-Experimentierkasten wünschte. Ich wollte eine Alarmanlage bauen, damit meine kleine Schwester nicht mehr unbemerkt ins Zimmer kommen konnte.

Oma Gretel und das Christkind

Wir standen schon im Flur, alle warm angezogen, bereit, zur alten Dorfkirche rüberzulaufen. „Oma, warum kommst du denn nicht mit in die Kirche?“ Noch nie war Oma Gretel mit uns in den Weihnachtsgottesdienst gegangen. „Na einer muss doch dem Christkind die Tür öffnen“, ließ sie mich wissen.

Oma Gretel macht dem Christkind die Tür auf? Oma Gretel, die mich anstiftete, bei meinem Onkel heimlich in die Schreinerwerkstatt zu gehen, Werkzeug zu holen und die Griffe an der Schublade wieder zu befestigen. Die sie – vermeintlich unbemerkt – gelockert hatte, damit ich sie repariere, weil sie das ja nicht könne und kein Werkzeug aus Werkstatt nehmen dürfe. Oma Gretel, meine Lebensermutigerin, wusste also, wie das Christkind aussieht!

Das Weihnachtsgeheimnis

Zu gern hätte ich es selbst gesehen! „Oma, aber das ist doch unfair, dass du Heiligabend nie in die Kirche gehen kannst. Ich mach die Tür auf.“ „Ich muss doch noch die Schnitzel braten.“ So leicht wollte ich mich nicht geschlagen geben: „Ich kann dir dabei helfen!“. Vergeblich. Oma Gretel blieb unerbittlich.

Die Lust auf Gottesdienst und Krippenspiel war mir vergangen, mitsingen mochte ich auch nicht mehr. Meinem Onkel Heinz, manchmal streng und konservativ, aber immer zu einem Ulk aufgelegt, war das nicht entgangen. „Ich mache meine Lippen nur auf und zu, so merkt keiner, dass ich nicht mitsinge“, flüsterte er mir zu.

Die Frage, wie wohl das Christkind aussehen mochte, war schlagartig, wenn auch nur vorübergehend, vergessen. Onkel Heinz und ich teilten jetzt ein Weihnachtsgeheimnis. „Bloß nicht laut loslachen“, murmelte Onkel Heinz zwischen ‚ kommt das Christuskind‘ und ‚auf die Erde nieder‘.

Sagt Oma Gretel die Wahrheit?

Irgendwann später war es endlich so weit. Das Glöckchen klingelte. „Das Christkind war da“, rief Oma Gretel. Wir durften ins Wohnzimmer. Lametta und bunte Kugeln funkelten im Kerzenschein um die Wette, und der Duft von Tannengrün erfüllte die Stube. Geschenke für unzählige kleine und große Menschen lagen unter dem Weihnachtsbaum.

Die Ankunft des Christkindes habe sie gar nicht bemerkt, behauptete meine arglose Oma Gretel. Ich bin mir nicht sicher, ob das stimmt. Ich vermute, das Christkind hat sich leise in die Küche geschlichen. Als nämlich Oma Gretel in den Keller gegangen ist, um nach der Katze zu schauen, die immer im Heizungskeller schlief und dann die Geschenke hochgetragen hat. Und genau in dem Moment hat sich das Christkind ein Jägerschnitzel mitgenommen.

Protokoll: Öffentlichkeitsarbeit im Kirchenkreis / Frauke Josuweit

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Von ihren Weihnachtserlebnissen als Kind erzählt Alexandra Steiger, Kirchenvorsteherin und stellvertretende Leiterin der Kerkenkita St. Ludgeri in Ehmen. Die 42-Jährige ist auch Theaterpädagogin und ausgebildete Clownin.